Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl Ende Februar hatte bei vielen die Hoffnung wachsen lassen, die Studiengebühren würden nun tatsächlich abgeschafft werden. Die Möglichkeit besteht und bestand auch, denn die Parteien, die sich vor der Wahl gegen die Gebühren ausgesprochen hatten, erreichten zusammen eine Mehrheit in der Bürgerschaft. Die Hoffnungen auf eine solche Entscheidung wurden jedoch schnell enttäuscht. In der ersten Bürgerschaftssitzung nach der Wahl am 04.April lehnten die Abgeordneten der GAL einen Antrag der SPD zur Abschaffung der Studiengebühren ab und sorgten mit ihrem Abstimmungsverhalten dafür, dass dieser in den Wissenschaftsausschuss verwiesen wurde. Die Verlockung einer Koalition mit der CDU war offenbar größer als die Verbundenheit mit der eigenen Programmatik. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen wurde dann als „Kompromiss“ das grandiose Konzept der „nachgelagerten“ Studiengebühren präsentiert.
Was soll passieren?
Mit Zustandekommen der CDU-GAL-Koalition wurde eine neue Wissenschaftssenatorin eingesetzt: Herlind Gundelach von der CDU. Die 59jährige Befürworterin von Studiengebühren hatte vor 21 Jahren das letzte Mal direkt Kontakt mit Bildungspolitik. Ob das eine gute Grundlage für ihre jetzige Tätigkeit ist, sei dahingestellt… Dass der Posten unabhängig von tatsächlich vorhandenen Kompetenzen als Karrieresprungbrett taugt, bewies ihr Vorgänger Jörg Dräger, der nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Wissenschaftssenators ab 1.Juli bei der Bertelsmann-Stiftung den Bereich Bildung leiten wird. Mit der von ihm betriebenen Politik hat er sich dafür sicherlich ausreichend qualifiziert.
Ab dem Wintersemester 2008/09 sollen Uni-AbsolventInnen nach dem Studium und ab einem Brutto-Einkommen von 30.000 Euro pro Jahr nachträglich für jedes Semester eine Gebühr von 375 Euro zahlen. Hier der genaue Wortlaut des Koalitionsvertrags:
Das bisherige System der Studiengebühren wird zum Wintersemester 08/09 abgelöst durch ein Modell, das durch folgende Punkte gekennzeichnet ist:
• Die Studiengebühren nach § 6b HmbHG werden ersetzt durch nachgelagerte Gebühren, die nach Ende des Studiums, unabhängig vom Erreichen eines Abschlusses, gezahlt werden müssen. • Ausnahmetatbestände werden radikal reduziert. • Die Rückzahlungspflicht ergibt sich bei Erreichen der Einkommensgrenze von 30.000 Euro brutto p.a. innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach Verlassen der Hochschule. • Die Hochschulen erhalten Einnahmen in der jetzigen Höhe der Einnahmen aus Gebühren (rund 37 Mio. Euro). • Die Studiengebühren werden festgesetzt auf 375 Euro pro Semester. • Alle Semester, für die jemand eingeschrieben war, sind gebührenpflichtig. […] • Die anfallenden Zinsen werden durch die öffentliche Hand übernommen. Für Studierende, die aktuell von Exmatrikulation bedroht sind, soll eine Lösung gefunden werden, die sicherstellt, dass das Studium weiter geführt bzw. wieder aufgenommen werden kann.[1] |
Die genaue Umsetzung dieser Vereinbarung wird aktuell behördenintern verhandelt und soll voraussichtlich zur Bürgerschaftssitzung am 18.06. in einem ersten Entwurf öffentlich gemacht werden…
Auch nachgelagerte Studiengebühren sind Studiengebühren
Die Umetikettierung von „allgemeinen“ in „nachgelagerte“ Studiengebühren ändert nichts an der momentanen Entwicklungslogik der Hochschulpolitik. Bildung wird als Ware und als Investition in das eigene Humankapital begriffen und nicht mehr als ein öffentliches Gut, das gebührenfrei möglichst allen Menschen zur Verfügung gestellt werden soll. Die Argumentation, nur etwas für das man Geld ausgegeben habe, würde man wirklich wertschätzen und erst das Kundenverhältnis, das durch Studiengebühren als Investition in das individuelle Humankapital hergestellt wird, könne Grundlage für das Engagement innerhalb der Hochschule sein, verbreitet sich immer mehr. Erst die „zahlenden NachfragerInnen“ der Ware „universitäre Bildung“ könnten „gute Leistungen von den Hochschulen“ einfordern.[2]
Dass diese Herangehensweise konträr zur Vorstellung einer demokratisch verfassten öffentlichen Universität steht, wird von den so Argumentierenden gerne übersehen.
Diese Grundtendenz der momentan laufenden Entwicklungen im Bildungsbereich wird auch mit Einführung der nachgelagerten Studiengebühren bestimmend bleiben. Es wird Aufgabe von (geschmierten) Politikern, Unternehmensberatern, undemokratisch zustande gekommenen Hochschulräten u.a. (selbst) ernannten „Bildungsexperten“ sein, der Öffentlichkeit diese Entwicklungsrichtung als alternativlose und bestmögliche zu verkaufen. Der (zu schaffende) Bildungsmarkt ist schließlich einer der größten noch zu erschließenden und es schlummern dort enorme Renditen…
Vor diesem Hintergrund ist auch die geplante Einführung von nachgelagerten Studiengebühren zu sehen. Es ist prinzipiell egal, ob Studiengebühren sofort oder erst nach Abschluss des Studiums gezahlt werden. Studiengebühren bleiben Studiengebühren! Es ist zu befürchten, „dass diese ähnlich wie in Australien weitere soziale Ungerechtigkeit mit sich bringen werden. Dort benötigen Frauen durchschnittlich 51 Jahre, um ihre Studiengebühren zurückzuzahlen, Männer hingegen nur 17 Jahre.“[3]
Die GAL in Hamburg lügt sich diesbezüglich insofern etwas vor, als dass de facto international kein Modell bekannt ist, bei dem nach Einführung nicht an den Schrauben der Einkommensgrenzen und Gebührenhöhe gedreht wurde – siehe exemplarisch Australien[4].
Ulrich Müller vom Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE) bringt die Entwicklung auf den Punkt: „Das Hamburger Modell hat den Charme, dass es optisch ein bisschen besser aussieht.“[5]
Und nun? – Konsequenzen
Mit den bisherigen Ausführungen sollte verdeutlicht werden, dass das nun geplante Studiengebühren-Modell für die BefürworterInnen eines gebührenfreien öffentlichen Bildungswesens keinen Grund zur Freude darstellt und es weiterhin nötig ist, sich zu organisieren.
In diesem Semester gibt es keinen Studiengebührenboykott mit Zuhilfenahme eines Treuhandkontos, da durch den EXTRA-Boykott und die Gerichtsentscheidungen des letzten Semesters deutlich geworden ist, dass bis zum Semesterende niemand wegen Nichtzahlung der Studiengebühren exmatrikuliert werden kann. Die Fachschaftsrätekonferenz der UNi Hamburg ruft daher weiterhin dazu auf, die Studiengebühren auch in diesem Semester nicht zu zahlen um so gegenüber den politisch Verantwortlichen deutlich zu machen, dass ihre Politik so nicht erwünscht ist. [6]
Wie der momentan amtierende Uni-AStA dazu kommt, die für Hamburg geplante Studiengebührenregelung als „akzeptabel“ zu bewerten (PM vom 04.04.08)[7], bleibt schleierhaft, wenn mensch daran glaubt, dass es ihm wirklich darum geht, für die Abschaffung der Studiengebühren zu kämpfen. In der Sitzung des Studierendenparlaments vom 03.06.08 teilte der AStA-Vorstand B.Gildemeister auf Nachfrage mit, dass vom AStA zum Thema Studiengebühren in diesem Semester „KEINE Aktionen“ geplant sind: keine Veranstaltungen, keine öffentlichen Anhörungen, wie gehabt kein Boykott und auch keine finanzielle Unterstützung dafür – das wäre nach der aktuellen AStA-Terminologie wohl als „linksradikal“ einzustufen.
Dass durch öffentliche Aktionen wirksam Druck auf die Landespolitik ausgeübt werden kann, zeigte sich erst Anfang Juni als in Hessen die Studiengebühren komplett abgeschafft wurden. Die Studierenden, die durch Demonstrationen, Boykotte, Blockaden und Verfassungsklagen fortgesetzt auf sich und ihre Position aufmerksam gemacht haben, hatten an dieser Entwicklung maßgeblichen Anteil.[8]
Von den KommilitonInnen in Hessen können wir diesbezüglich einiges lernen…
Studiengebühren ganz statt gar nicht abschaffen!
[2] Ulrich Müller, Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE), zit. nach http://www.bundestag.de/dasparlament/2008/23/KulturMedien/20656480.html
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